Bürgermeister lässt eigenmächtig den Flächennutzungsplan von Ueckermünde ändern
Aufgeregt, verärgert, teils auch ängstlich, wandten sich Nachbarn (Anwohner und Pächter) des ehemaligen BFZ-Geländes am Kanalweg an uns
neun Stadtvertreter,
um unglaubliche Vorgänge um dieses Filetgrundstück, direkt am Haff gelegen, aufzuklären und transparent zu machen.
In der aktuell gültigen Fassung des Flächennutzungsplanes (FNP) für Ueckermünde wird diese Fläche als Sondernutzungsfläche für Freizeit und Tourismus ausgewiesen.
Auszug aus dem aktuell gültigen Flächennutzungsplan
Die Änderungen von Flächennutzungsplänen folgen strengen, im Baugesetzgesetzbuch festgelegten, Regeln. Aktuell läuft in Ueckermünde ein Verfahren zur
Änderung des Flächennutzungsplanes, was im März 2024 beschlossen wurde. Darin ist diese Fläche jedoch nicht enthalten.
Bei der öffentlichen Auslegung der beschlossenen Änderungen im Juni 2025, tauchte jedoch ein neuer Punkt auf - das Grundstück des ehemaligen BFZ am Kanalweg.
Inmitten eines laufenden Verfahrens zur Änderung des Flächennutzungsplans, wurde eigenmächtig eine weitere Fläche hinzugefügt,
die einen anderen Nutzungszweck als bisher erhalten soll - Kurklinik.
Über diese unerlaubte Manipulation hat der Bürgermeister eine amtliche Urkunde verfasst und diese mit seiner Unterschrift und dem Dienstsiegel der Stadt Ueckermünde im Amtsblatt veröffentlicht.
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Was ist ein Flächennutzungsplan (FNP)?
Der Flächennutzungsplan (FNP) ist ein zentrales Steuerungsinstrument der Stadtentwicklung.
Er legt fest, wie Flächen künftig genutzt werden sollen – etwa für Wohnen, Gewerbe, Verkehr oder Erholung.
Beschlossen, geändert oder aufgehoben werden darf er nur durch die Stadtvertretung.
Rechtsgrundlage ist das Baugesetzbuch (BauGB).
Damit ist der Flächennutzungsplan eine wichtige Grundlage für die Zukunft einer Stadt, weil er langfristig bestimmt, wo gebaut, investiert und gestaltet werden kann.
1. Schritt - Beschluss der Stadtvertretung
Am 14. März 2024, also noch in der letzten Legislaturperiode, beschloss die Stadtvertretung unter TOP-Ö17 die Änderung des FNP in den Punkten 1 – 11 (!).
2. Schritt - Öffentliche Bekanntmachung
Am 27. März 2024 machte der Bürgermeister den Aufstellungsbeschluss über die
„4. Änderung des Flächennutzungsplanes der Stadt Seebad Ueckermünde“ im Amtsblatt bekannt.
Auch wurden nur die Punkte 1 - 11 bekannt gemacht, über die die Stadtvertretung einen Beschluss gefasst hatte.
3. Schritt - Öffentliche Auslegung
Gemäß § 2 Abs. 1 BauGB ist der Aufstellungs-/Änderungsbeschluss der Startschuss für das Verfahren.
Danach soll, ohne unnötige Verzögerung, das gesetzliche Beteiligungsverfahren folgen.
Jedoch passierte dann erst einmal nichts. Die Angelegenheit schien zu ruhen, von der
Beteiligung der Öffentlichkeit keine Spur.
Dann tauchte am 27. Juni 2025, ganze 15 Monate später und zufällig an dem Tag, an dem die Stadtvertreter
in ihrer letzten Sitzung in die Sommerpause verabschiedet worden sind, die amtliche Bekanntmachung über die
„Öffentliche Auslegung des Vorentwurfs der 4. Änderung des Flächennutzungsplanes der Stadt Seebad Ueckermünde“ auf.
Diese extreme Verzögerung ergibt eigentlich keinen Sinn, denn der Bürgermeister ist verpflichtet,
die Beschlüsse der Stadtvertretung zeitnah umzusetzen.
Bei 15 Monaten Verzögerung fällt es schwer, das noch als zeitnah zu bewerten.
Der entscheidende Punkt ist jedoch, dass in dieser öffentlichen Auslegung plötzlich nicht mehr von den Flächen
1 – 11, sondern 1 – 12 die Rede ist.
Ohne ergänzenden Beschluss der Stadtvertretung, wurde eigenmächtig die Fläche mit der Positionsnummer
12 hinzugefügt.
In den Verfahrensvermerken wird zwar richtigerweise auf die Stadtvertretersitzung vom 14.03.2024 Bezug genommen, ein Punkt 12
taucht dort im Protokoll jedoch nicht auf. Lediglich die Entwurfszeichnung, also die Nutzungsänderung von „Freizeit + Tourismus“ in „Kurklinik“
und die Legende wurden geändert.
Im Begründungsdokument des manipulierten Entwurfs wird die Änderung 12 wie folgt begründet.
Änderungsfläche 12 — Sondergebiet Kurklinik
Der Standort liegt nördlich angrenzend an den Kanalweg.
Im wirksamen Flächennutzungsplan ist der Bereich als Sondergebiet mit der Zweckbestimmung Freizeit und Tourismus dargestellt.
Dies entspricht nicht mehr den aktuellen Planungsabsichten der Stadt.
Das entspricht natürlich nicht der Wahrheit. Planungsabsichten der Stadt, wenn diese Grundlage zur Änderung von Flächennutzungsplänen sein sollen,
müssen durch Beschluss der Stadtvertretung legitimiert werden. Ein Beschluss über ein Konzept,
ersetzt nicht den geforderten Beschluss über die Änderung des Flächennutzungsplanes.
Die Änderung des Flächennutzungsplanes ohne Beschluss der Stadtvertretung ist rechtswidrig.
Es liegt weder in der Hand des Bürgermeisters, noch in der Hand der Verwaltung, darüber zu entscheiden, welche Flächen im FNP verändert werden.
Der Bürgermeister hat, öffentlich nachvollziehbar, in ein durch das Baugesetzbuch klar geregelten Prozess zur Änderung eines Flächennutzungsplanes,
eigenmächtig eingegriffen, Diesen ohne Beschluss der Stadtvertreter, zwischen Bekanntmachung und Auslegung eigenmächtig geändert.
Verfahrensvermerke
In dem Wissen darüber, dass dieser Punkt 12 nicht Bestandteil des Beschlusses (DS-24/0376) ist,
in dem nur über die Flächen 1 – 11 abgestimmt wurden, hat der Bürgermeister, ohne Beteiligung der Stadtvertretung,
eine Fläche eigenmächtig umwidmen lassen.
Eine andere Rechtsgrundlage wird speziell für den Punkt 12 nicht genannt. Nein, dieser
Punkt 12 ist in den Verfahrensvermerken des Auslegungsentwurfs überhaupt nicht aufgeführt.
Im „Auslegungsentwurf“ vom Juni 2025, wird einzig und allein auf den Stadtvertreterbeschluss vom 14.03.2024 Bezug genommen.
Was wurde beschlossen - März 2024
- Flächennutzungsplan mit 11 Positionen
- BFZ-Areal mit touristischer - gemischter Perspektive
- Keine 12. Position im Beschluss enthalten
Was wurde öffentlich ausgelegt - Juni 2025
- Flächennutzungsplan mit 12 Positionen
- Zusätzliche Position betrifft das BFZ-Gelände
- Ausweisung: ausschließlich Kurklinik
Wie äußert sich die Stadt dazu?
Zunächst wandten sich Nachbarn der betroffenen Fläche 12 direkt an die Stadt, weil eben diese Nachbarn auf den Unterschied zwischen
Beschluss der Stadtvertreter und der öffentlichen Auslegung aufmerksam wurden.
Zunächst wurde abgewiegelt und darauf hingewiesen, dass alles schon seine Ordnung hat.
Später hat sich der Bereich Stadtplanung, der grundsätzlich dafür zuständig ist, mit einer Begründung dazu per E-Mail geäußert.
Begründung der Stadt — Bereich Stadtplanung
Die Stadtvertreter hatten in ihrer Sitzung am 13.03.2025 das Flächenentwicklungskonzept mit Schwerpunkt touristische Entwicklung
„100 Jahre Haffbad Ueckermünde 2027“ für den Bereich Strand - Fischereihafen – Kanalweg bis Industriehafen Berndshof (Drucksache DS 23/0353-1) beschlossen,
worin die besagte Fläche als Potentialfläche Kur-/Rehaklinik dargestellt wurde.
Somit spiegelt eine Kennzeichnung der Fläche als Sondergebiet Klinik den politischen Willen wider.
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Unterschied Flächenentwicklungskonzept ↔ Flächennutzungsplan
- Ein Flächenentwicklungskonzept ist ein informelles Planungsinstrument.
- Es ist kein Bauleitplan im Sinne des Baugesetzbuches.
- → Es entfaltet keine unmittelbare Rechtswirkung, sondern dient nur als Orientierung für Politik und Verwaltung.
- Der Flächennutzungsplan (FNP) hingegen ist ein förmlicher Bauleitplan nach dem BauGB. Änderungen daran dürfen nur im förmlichen Verfahren nach §§ 2–6 BauGB erfolgen.
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Genügt ein Beschluss über ein Konzept als Begründung Änderung des Flächennutzungsplans
- Nein, allein ein Konzeptbeschluss ist keine ausreichende Begründung.
- Der FNP darf nur geändert werden, wenn die Stadtvertretung explizit die Änderung des FNP beschließt und das Verfahren nach BauGB durchläuft (Aufstellungsbeschluss, Beteiligung, Abwägung, Genehmigung, Bekanntmachung).
- Das Konzept kann nur als fachliche Grundlage oder Begründungsbaustein für die Beschlussfassung dienen.
Der Verfahrensweg ist im Baugesetzbuch eindeutig festgelegt.
Grundlage einer Änderung ist immer ein Beschluss der Stadtvertretung, gefolgt von der Bekanntmachung des Beschlusses und der
die öffentliche Auslegung, um die Öffentlichkeit zu beteiligen.
Selbstverständlich weiß der Bürgermeister das, denn immerhin war er viele Jahre Bauamtsleiter.
Auch diese Fläche, als ganz besonderes Filetstück am Haff, ist dem Bürgermeister sicher eingängig bekannt.
Wir bleiben natürlich dran, denn wir wollen ganz genau verstehen, was den Bürgermeister zu so einer Vorgehensweise motiviert hat!
Im nächsten Artikel werden wir nach den Gründen suchen.
Warum begeht der Bürgermeister so kurz vor Ende seiner Amtszeit einen so schwerwiegenden Rechtsverstoß?
Was steckt dahinter?